Warum Du Kniebeugen machen solltest
Bei der Hocke handelt es sich um eine Ruheposition des Menschen. Eigentlich. Im Grunde sollte man in der Lage sein, sich so abzusetzen, dass die Füße komplett den Boden berühren, die Knieachse stimmt (d.h. die Knie in Richtung der Zehenspitzen zeigen und nicht etwa nach innen fallen) und der hintere Oberschenkel die Wade berührt. Dabei sollte es dem funktionalen Menschen im Idealfall noch gelingen, den Oberkörper einigermaßen aufrecht zu halten. Vielen gelingt es nicht, diese Position wie beschrieben einzunehmen. Und wenn, dann wird sie oft als mühsam wahrgenommen und kann vielleicht 5 Minuten lang eingenommen werden, ohne deutlich unangenehm zu werden. Von „Ruheposition“ kann also nicht die Rede sein.
Der israelische Bewegungsspezialist Ido Portal verordnet seinen Schülern gelegentlich die 30/30 Challenge durchzuführen, d.h. 30 Tage am Stück insgesamt 30 Minuten in der Hocke zu verbringen. Die 30 Minuten wiederum müssen nicht am Stück, sondern können auch in Blöcken von z.B. 3X10 oder 6×5 Minuten absolviert werden. Trotzdem ist diese Challenge härter als sie sich anhört. Danach ist man sicherlich der Hocke als Ruheposition um einiges näher.
Nun gibt es Trainingsspezialisten und Ärzte, die davon abraten, diese Position einzunehmen, geschweige denn sie beladen, also mit Gewicht, durchzuführen. Sie verweisen dabei meist auf den recht hohen Knievorschub, der bei der Übung stattfindet verbunden mit einer Schubladenbelastung des Kniegelenks und einem gewissen Stress auf die passiven Strukturen. Die extremen Vertreter dieser Position plädieren dafür, bestenfalls nur Beinübungen durchzuführen, bei denen das Kniegelenk weitgehend über dem Sprunggelenk bleibt. Dabei argumentieren sie jedoch recht offensichtlich an der Realität vorbei. Beim Laufen, Treppensteigen und rückwärtsgehen etwa (oder beim Einnehmen der Hocke im Alltag) kommt es in Alltag und Sport zwangsläufig zu einer Knieposition, wo das Knie über die Zehenspitze hinausschiebt. Wird diese Position nicht regelmäßig trainiert und belastet, steigt die Verletzungsgefahr im Alltag (was bei untrainierten Personen ja auch zu beobachten ist). Im Idealfall wird immer ein Kraftüberschuss in einer bestimmten Position erzeugt, wodurch Alltag und Sport dann locker gemeistert werden können.
Vorsicht geboten ist bei einer solchen Belastung der passiven Strukturen durchaus. Diese passen sich wesentlich langsamer an Trainingsreize an als etwa die Muskeln und bedürfen langer Pausenzeiten und einer langsamen Progression der Trainingslast. Verletzungen und Schmerzen bei Kniebeugen stammen häufig von einer zu schnellen Steigerung des Trainingsgewichts (der Muskel könnte schon, das Gelenk noch nicht) oder von unsauberer Ausführen/unzureichender Mobilität. Von „Schubladenübungen“ pauschal komplett abzuraten, schießt aber über das Ziel hinaus. Genauso wie das andere Extrem, bei dem dann empfohlen wird, einen maximal möglichen Knievorschub anzustreben. Wie so oft liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte. Und diese individuelle Mitte zu finden ist bei einem selbst und bei jedem Trainee immer wieder eine spannende Herausforderung.
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